Original von Carina Dietze, 24.09.2022
Folgendes Argument wir häufig gegen Solarparks aufgeführt: Sie nehmen zu viel Landflächen weg. Jedoch muss das nicht so sein. Agri-PV Anlagen liefern Strom und bieten weitere Vorteile für landwirtschaftliche Betriebe.
Die aktuell größte Agri-Photovoltaik-Anlage steht im niedersächsischen Wendland. Vor vier Jahren entschied Robert Lettenbichler dazu, den familiären Landwirtschaftsbetrieb mit der riesigen Solaranlage auszustatten.
Sie ragt sechs Meter nach oben und ist 36 Meter breit über den Äckern aufgestellt. Es kommt aber genug Sonnenlicht durch, damit angebautes Gemüse gut versorgt ist. Dem NDR erzählte der Unternehmer von den vielen positiven Veränderungen, die die PV-Anlage mit sich bringt.
Insgesamt besitzt die Familie Lettenblicher 20 Hektar Land. Die darauf angebauten Kräuter und Gemüse verkaufen sie in getrockneter Form über das Familienunternehmen, die Firma Steinicke, das auf einen Jahresumsatz von 30 Millionen Euro kommt.
Am Anfang: 1,3-Millionen-Investment
Um die Produktionsanlagen zu betreiben ist jede Menge Strom nötig: Die Maschinen laufen 24 Stunden und verbrauchen so viel wie 900 Vier-Personen-Haushalte. Die hohen Kosten waren vor einigen Jahren und damit bereits vor der aktuellen Energiekrise der Grund, weshalb sich die Familie für die Installation von Solarmodulen entschied.
Neben Solarmodulen auf dem Dach entschied sich die Familie dann auch zur Installation der Agri-PV-Anlage über dem Feld. Diese Module sind laut Robert Lettenbichler doppelt so teuer wie die auf dem Dach. Von den insgesamt 1,3 Millionen Euro Kosten übernahm das Bundesumweltministerium 400.000 Euro. Der Rest wurde per Kredit von der Firma Steinicke finanziert.
Pro Jahr soll die Anlage über 700.000 Kilowattstunden Strom generieren. Rechnet man die PV-Anlagen auf den Dächern dazu, kann das Unternehmen jährlich rund die Hälfte seines Stromverbrauchs mit Solarenergie bedienen. Allerdings: "Die Monate Dezember und Januar kann man fast rausnehmen bei der Berechnung", so Lettenbichler gegenüber dem NDR.
"Im Winter gibt es zwar auch mal schöne Tage, aber da steht die Sonne einfach zu flach, sie bringt keine Energie." Doch im Sommer produzieren die Anlagen so viel Strom, dass ein Teil davon ins öffentliche Netz eingespeist werden kann. Ingesamt geht Lettenbichler davon aus, dass sich das Investment binnen zehn bis 15 Jahren ausgezahlt haben wird.
Agri-PV-Anlagen: erhebliche Rolle bei der Energiewende
Auch wenn die Stromkosten der primäre Grund für die Anschaffung der riesigen PV-Anlage war, gibt es noch mehr Vorteile. Immer mehr internationale Kunden würden auf den CO2-Fußabdruck ihrer Zulieferer achten, erklärt der Unternehmer.
Zudem können die Anlagen in dürren Sommern die Ernte schützen: Anna Heimsath leitet den Bereich Photovoltaik am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE). Sie begleitete von 2016 bis 2021 die Installation und Entwicklung der ersten deutschen Agri-PV-Anlage, die am Bodensee steht.
"Bei der Agri-PV-Anlage am Bodensee haben wir im ersten Jahr zunächst einen Rückgang festgestellt, und zwar um bis zu 18 Prozent", berichtet Heimsath. "Im zweiten Jahr gab es dann aber einen trockenen Sommer - und da haben wir zehn Prozent mehr Ertrag gehabt." In trockenen Sommern, die aufgrund des Klimawandels in Deutschland wohl zukünftig häufiger vorkommen werden, konnte die Wissenschaftlerin also einen positiven Effekt der Anlage verzeichnen.
Zu der Schlussfolgerung, dass die PV-Module über den Feldern die Ernte vor zu viel Sonne schützen können, kommen laut dem Agri-PV-Berater Markus Haastert immer mehr Landwirte. Bisher habe stets das Argument der Stromproduktion am stärksten gezogen. "Aber das ändert sich gerade in diesem Jahr radikal", so Haastert. Am Ende müsse man eines wissen: Agri-PV-Anlagen auf vier Prozent der landwirtschaftlichen Fläche könnten den gesamten Stromverbrauch von Deutschland decken.
Nicht nur Gemüsefelder sondern auch Solarkühe
Agri-Solar-Anlagen sind nicht nur auf den Einsatz über Kartoffelfeldern und Co. beschränkt: Im brandenburgischen Rathenow betreibt der Landwirt Michael Bleike seinen Hof mit der gleichen Technik - nur dass sie hier nicht nur Halbschattengewächsen Schutz vor der Sonne bietet, sondern auch seinen Kühen. Dank ihrer besonderen Weide sind sie Deutschlands erste Solarkühe, wie die Berliner Zeitung schreibt.
Dank vorausdenkender Landwirte wie Robert Lettenbichler und Michael Bleike könnte Deutschland tatsächlich den Ausstieg aus emissionsbelasteten Energieformen schaffen. 2021 stammten knapp 43 Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms aus Erneuerbaren. Bis 2030 sollen es 80 Prozent pro Jahr werden. Sicherlich ließe sich dieser Prozess mit weiteren Agri-PV-Anlagen beschleunigen.
Quelle: https://efahrer.chip.de/news/solaranlagen-auf-feldern-warum-bauern-die-photovoltaik-feiern_109553
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