Die kanadische Firma Solar Provider Group baut auch in Deutschland erste
Agri-PV-Anlagen. Dafina Marashi und Evan Gilroy stellen das innovative System
vor.
Wie ist Ihr System aufgebaut, was sind die Besonderheiten im Vergleich zu anderen Systemen?
Gilroy: Unsere Anlagen unterscheiden sich in mehrfacher Hinsicht von anderen.
So bauen wir die Reihen in Nord-Süd-Richtung, die Module sind also nach Ost-
West ausgerichtet. Außerdem arbeiten wir mit einem einachsigen
Nachführsystem, welches die Module mit dem Sonnenstand von Ost nach West
im Laufe des Tages am Sonnenstand ausrichtet. Der Drehpunkt der Modultische
ist auf 2 m Höhe, an der Spitze sind die Module dann bis zu 3,50 m hoch. Das
Gestell wird je nach Boden ohne Betonfundament 1,50 m bis 2 m in die Erde
gerammt oder geschraubt. Wir bauen die Anlagen so, dass dazwischen Reihen
von mindestens 14 m Breite bleiben.
Was bewirkt die Ost-West-Ausrichtung?
Gilroy: Die Anlagen produzieren damit morgens noch früher und nachmittags
länger Strom als reine Südanlagen. Gleichzeitig haben wir mittags nicht die
große Spitze wie andere Anlagen. Aufgrund der Abstände erzeugen die
Anlagen im Vergleich zu einer konventionellen Konstruktion zwar weniger
Energie, sind dafür jedoch unserer Ansicht nach aber systemfreundlicher für die
Stromversorgung. Zudem ist der Strom morgens und nachmittags mehr wert
als mittags.
Inwiefern können Landwirte unter oder neben den Modulen noch wirtschaften und welche Art der Bewirtschaftung ist möglich?
Marashi: Die Landwirte können zwischen den Modulreihen ganz normal
Ackerbau betreiben oder das Grünland bewirtschaften. Im Ackerbau sind alle
Kulturen bis 1,50 m Wuchshöhe geeignet, wie beispielweise Getreide,
Ölpflanzen, Zuckerrüben, Kartoffeln, Beeren usw. Bei der Auswahl raten wir
dem Landwirt, die Lichtansprüche der Pflanzen zu berücksichtigen. Gleichzeitig
schauen wir, inwiefern eine Anlage auf dem jeweiligen Standort die Fläche vor
Winderosion, Lichteinstrahlung oder übermäßiger Verdunstung schützen kann,
denn der Schatten sorgt für mehr Bodenfeuchte. Unterm Strich muss sich die
Anlage immer den landwirtschaftlichen Gegebenheiten anpassen, nicht
umgekehrt.
Trotzdem reduziert eine Anlage ja die zur Verfügung stehende Fläche. Mit welchen
Ertragseinbußen muss man rechnen, wenn man auf dem Acker eine Agri-PV-Anlage
errichtet?
Marashi: Die Norm DIN Spec 91434, welche wir bei der Planung jeder Anlage
berücksichtigen, schreibt genau vor, welche Anforderungen eine Agri-
Photovoltaikanlage zu erfüllen hat. Dazu gehört, dass 85 % der Fläche
weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden kann und dass der Ertrag noch
zwei Drittel der üblichen Erntemenge (Referenzertrag) ausmachen muss. Beides
können wir sicherstellen. Darüber hinaus legen wir sehr großen Wert darauf,
dass eine solche Anlage gut ins Landschaftsbild passt und wenn möglich sogar
von außen kaum sichtbar ist. Auch werden wir die Gemeinden in die Planung
miteinbinden, sodass auch die Bevölkerung profitiert. Die Landwirte können je
nach Erfahrung bis zu 50 cm an die Gestelle heranfahren. Da die Tische nur auf
jeweils einem Bein montiert sind, ist die Unterkonstruktion möglichst schlank.
Das bedeutet auch, dass man z.B. zwischen den Gestellreihen noch einen
Blühstreifen anlegen oder Kräuter anbauen kann, was sogar über die
Anforderung der Norm DIN Spec 91434 hinausgeht.
Wie viel MW/ha lassen sich damit installieren?
Gilroy: Wir rechnen bei unserem Konzept mit 650 kW/ha. Herkömmliche
Freiflächenanlagen kommen zwar auf 1,2 MW/ha, haben aber den Nachteil,
dass damit keine landwirtschaftliche Produktion mehr möglich ist.
Wie schätzen Sie die Kosten im Vergleich zu herkömmlichen Solarparks ein?
Gilroy: Die Unterkonstruktion ist allein wegen der Nachführung 50-60 % teurer
als konventionelle Solarparks. Allerdings arbeiten wir mit Standardmodulen,
die günstiger sind als die ansonsten durchscheinenden, bifacialen Module
anderer Agri-PV-Systeme.
Wie wartungsintensiv ist so eine Anlage?
Gilroy: Wegen der landwirtschaftlichen Produktion mit Staub und Dreck bei der
Bodenbearbeitung oder Ernte ist ein höherer Reinigungsaufwand nötig. Wir
gehen davon aus, dass die Module zweimal im Jahr gereinigt werden müssen.
Da das in der Vegetationszeit nicht möglich ist, muss man dafür die Zeit vor der
Aussat und nach der Ernte nutzen. Die Modultische sind aber so aufgebaut,
dass die Module eine geschlossene Reihe bilden. Wenn man sie horizontal
ausrichtet, kann z.B. auch ein Aufsatzroboter über die Reihen fahren, um sie zu
waschen. Eine andere Möglichkeit ist es, sie bei Regen auf bis zu 65 Grad
anzustellen. Dann kann das Wasser eine mögliche Verschmutzung auch
abspülen.
Wie sehen Sie das aktuelle EEG 2023 mit dem eigenen Ausschreibungssegment
„Agri-Photovoltaik“? Ist es aus Ihrer Sicht ausreichend, um die Technik
voranzubringen?
Marashi: Im Ansatz ist das EEG in Ordnung. Aber wir denken, dass sich die
AgriPV unabhängig vom EEG entwickeln muss. Stromlieferverträge wie die
Power-Purchase-Agreements (PPA) sind dafür eine Option, welche wir seit
bereits über 10 Jahren verwenden, und damit besonders in Kanada und
Kalifornien sehr gute Erfahrungen mit gemacht haben. Neben dem EEG bzw.
dem Stromerlös gibt es weitere wichtige Rahmenbedingungen. Dazu gehört,
dass die Betreiber einer Anlage nicht noch zusätzliche Ausgleichsmaßnahmen
ergreifen müssen, die noch mehr Fläche in Anspruch nimmt, sondern ein
Ausgleich intern, also innerhalb des Parks möglich ist.
Wer ist üblicherweise Betreiber Ihrer Anlagen?
Gilroy: Wir pachten das Land, auf dem der Landwirt dann aber ganz normal
weiter wirtschaften kann. Vor Ort gründen wir eine GmbH & Co. KG als
Betreibergesellschaft. An dieser kann sich der Landwirt als Kommanditist auch
beteiligen. Sollte er keine finanziellen Mittel dafür übrighaben, kann er auch
das Land als Investition in die Gesellschaft einbringen und sich auf diese Weise
finanziell beteiligen. Für mehr Akzeptanz bieten wir den Gemeinden auch an,
dass sich Bürger beteiligen können.
Wann ist mit der ersten Anlage von Ihnen zu rechnen? In welcher Größenordnung?
Gilroy: Wir beschäftigen uns seit 2016 mit der Agri-Photovoltaik und haben im
Ausland schon mehrere Anlagen gebaut, welche unter anderem in England
schon mit verschiedensten Awards ausgezeichnet wurden. In Deutschland wird
es das erste Projekt in Sachsen-Anhalt auf einem Ökobetrieb geben. Geplant
sind dort 20 MW Leistung. Aktuell warten wir noch auf die Baugenehmigung.
Wir rechnen damit, Ende 2023 in Betrieb gehen zu können.
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